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Zwei Arten von Contest…

Unser Land steht unter dem Eindruck des Erfolgs von Conchita Wurst beim European Song Contest der Fernsehanstalten. Natürlich freut sich Österreich über diesen Preis, den es nach fast 50 Jahren wieder errungen hat. Aber es gibt auch Dinge in diesem medialen Großereignis, die nachdenklich machen. Und es gibt auch eine große Anzahl von Menschen, die bei sich oder im kleinen Kreis ein Unbehagen eingestehen. Gerade unter den kirchengebundenen Gläubigen sind es nicht wenige, die sich in ihrem Menschenbild überfordert fühlen. Dabei geht es natürlich nicht um die gesangliche Leistung bei diesem ersten Preis, sondern um die geschlechtliche Sonderrolle des Siegers bzw. der Siegerin. Conchita Wurst ist Mann, tritt aber als Frau auf – er/sie ist transgender. Ein Begriff, den man bisher vielleicht einmal gehört hat, der jetzt aber zur konkreten Anschauung wurde in Gestalt des bejubelten Gewinners eines europaweiten Wettbewerbs.

Zuerst: So ein Ereignis polarisiert die Meinungen. Darum gibt es neben begeisterter Zustimmung auch die aus dem Bauch kommende scharfe Ablehnung. Das darf aber nicht hindern, sich ein überlegtes Urteil zu bilden. Es war im Übrigen erstaunlich, wie unpolemisch sich Conchita Wurst in ihren Interviews verhalten hat.

Bei so gegensätzlichen Urteilen über ein Phänomen ist es meist hilfreich, einen Blick in die Geschichte zu werfen. Im Bereich der Kunst gab und gibt es seit jeher das Spiel mit der Geschlechteerrolle. In der Barockzeit hatte man die Kastraten, Männer, die in der Stimmlage von Frauen gesungen haben. Noch in den Mozart-Opern gibt es eine Reihe von Männerrollen, die von Kastraten gesungen wurden. Und auch in der Kirchenmusik wurden Kastraten eingesetzt. In der Rockmusik gibt es schon lange das Spiel mit der geschlechtlichen Identität (Michel Jackson, David Bowie etc.) Und auch in der bildenden Kunst haben wir das Spiel mit der geschlechtlichen Identität einer Person. Lange Zeit wurde gerätselt, wen Leonardo da Vinci eigentlich mit seiner Mona Lisa portraitiert hat, eine Frau oder einen Mann. Und der bekannte Bestseller-Autor Dan Brown baute seinen Erfolgsroman „Der Da-Vinci-Code“ („Sakrileg“) auf die Deutung des Apostels Johannes im berühmten „Abendmahl“ Leonardos als Magdalena. Das Spiel, die Fiktion wird jedoch im Falle unserer Song-Contest-Siegerin zur Tatsache eines transgender.

Conchita Wurst widmete ihren Sieg der Toleranz und Freiheit für ihre Geschlechtsgenossen, die sich von der normalen Unterscheidung der Geschlechter nicht erfasst fühlen. Zu dieser Gruppe der transgender zählt man in Deutschland geschätzte 20.000 – 80.000 Menschen. Und natürlich gilt: sie dürfen, wie kein Mensch, aufgrund einer Besonderheit seines Körpers oder seiner Psyche verachtet werden. Christen dürfen sich darum auf keinen Fall zu Verachtung und Beschimpfung hinreißen lassen.

Was aber bei einem solchen medialen Großereignis um einen Menschen dieser Personengruppe fast immer passiert, ist: die Kritiker sagen, man verliert den Maßstab für das, worauf es ankommt, auf die Lebensgrundlage der Gesellschaft in Ehe und Familie. Hier hilft ein Satz des alten Goethe weiter, den man gut auf unsere Problematik anwenden kann: „In den Wissenschaften gibt es viel Gewisses, wenn man sich von den Ausnahmen nicht irre machen lässt.“ Darum geht es: Ausnahmen müssen beachtet werden, dürfen aber nicht vergessen lassen, was die Regel ist.

Auf einen heiklen Punkt in diesem European-Contest-Sieg hat in seinem Kommentar der bekannte linksliberale Journalist Armin Thurnher aufmerksam gemacht. Wenn man sich in Österreich diesen Sieg als Sieg von Toleranz und Menschenrechten selbstgefällig auf die Fahne heftet, so geschehe das auf billige Weise. Denn für diesen „Sieg“ musste niemand ein Opfer bringen. Denn erst nach dem Sieg gab es reihenweise solche Statements. Aber in den Fällen, wo die Menschenrechte wirklich mit Füßen getreten werden, da wird man hierzulande mit Protesten sehr bald kleinlaut, wenn irgendwelche ökonomischen Interessen tangiert werden, und schon gar, wenn eine Militär- oder Ölmacht mit dem Zaunpfahl winkt. „Menschenrechtskitsch“ nennt das der Herausgeber des „Falter“.

Für Christen zeigt sich eines immer deutlicher: Die Christen müssen ihre Lebensform, die aus der Begegnung mit Christus hervorgeht, in einer immer pluraler und kontrastreicher werdenden Umwelt bezeugen. Sie sollen das tun, geduldig, freudig, ohne feindliche Gesinnung gegenüber wem immer. Die Wahrheit leuchtet ein, sie hat ihre Macht in sich selber. Freilich, und da beginnt das Schwierige: damit sie einleuchtet, muss sie leuchten im Leben der Gläubigen. Das ist der christliche „Contest“, und der ist auch schwer zu gewinnen.

P. Willibald Hopfgartner